Igel, Schnecken und Lungenwürmer: Was steckt dahinter? Faktencheck.

Immer wieder erreichen mich teils wütende Mails, in denen ich wüst als Igelfeind beschimpft werde. Stets mit dem gleichen Vorwurf: Wie könnte ich es nur wagen, Empfehlungen auszusprechen, Igel als Fressfeinde von Schnecken im Garten anzusiedeln? 

Hier die Annahmen der aufgebrachten Schreiberinnen:

  1. Igel würden Schnecken nur im Notfall fressen.
  2. Würden sich in der Folge mit Lungenwürmern infizieren.
  3. Würden schließlich daran sterben.

Sie haben teilweise recht. Doch warum Igel keine Angst vor Schnecken haben müssen und warum es sich immer lohnt, einen Garten igelfreundlich zu gestalten, erfährst Du in diesem Artikel.

In jedem Fall danke ich allen, wenngleich teils unfreundlichen Zuschriften dafür, dass sie mich auf dieses wichtige Thema aufmerksam gemacht haben.

Ich hoffe, mit diesem Beitrag etwas Licht ins Dunkel rund um Schnecken, Igel und Lungenwürmer zu bringen.


Igel frisst Schnecke: Bitte, Igel nicht mit Schnecken füttern!


Lungenwurm-Übertragung durch Schnecken?

In diesem Artikel konzentriere ich mich auf den Lungenwurm Crenosoma striatum. Denn dieser kann Schnecken als Zwischenwirt nutzen.

Es gibt auch noch den kleineren Lungenhaarwurm Eucoleus aerophilus (früher Capillaria aerophila), der ebenfalls die Lungen von Igeln befällt. Eucoleus aerophilus kann über Regenwürmer übertragen werden. Diese Lungenhaarwürmer sind für Igel in der Regel ungefährlicher, obwohl sie sich ohne Zwischenwirt im Igel vermehren können. Häufig treten jedoch beide Lungen-Parasiten gleichzeitig im Igel auf.

Der Lungenwurm Crenosoma striatum kann sich nicht allein im Körper des Igels fortpflanzen, was ihm auch ein wenig seinen Schrecken nimmt. In der Regel sind Igel mit weniger als 20 dieser Parasiten befallen, was für einen gesunden Igel kein Todesurteil bedeutet.

Zur Vermehrung muss Crenosoma den Igel nämlich zunächst wieder verlassen. Dazu werden die Eier/Larven vom Igel hochgehustet, dann verschluckt und über den Kot ausgeschieden.

Lange wurde angenommen, dass Schnecken notwendig seien, um die Larven zu übertragen. Doch dies wird zunehmend infrage gestellt (Majjed 1989, Groves 2020).

Igel Babies Nestlinge
Igel-Babys nehmen Wurmlarven wahrscheinlich schon über die Muttermilch auf.

 

So schreibt ein Ableger der Zoologischen Gesellschaft von London:

„Igel können jedoch auch infizierte Eier von einer mit Kot verunreinigten Oberfläche aufnehmen, ohne dass ein Zwischenwirt erforderlich ist. Crenosoma striatum-Würmer können auch über die Muttermilch auf neugeborene Igel übertragen werden.“ (GWH)

Daher wird der Einfluss und die Gefahr der Übertragung durch Schnecken wahrscheinlich überschätzt!

Wichtig ist zudem zu wissen, dass nur Schnecken mit Larven befallen sind, wenn sie diese vorher aus Igelkot aufgenommen haben. Schnecken, die im Frühjahr neu schlüpfen oder in einem Garten leben, in dem Igel nicht vorkommen, können nicht befallen sein.

Außerdem deuten neue wissenschaftliche Erkenntnisse darauf hin, dass nur sehr wenige Schnecken mit Lungenwurmlarven befallen sind.

Denn bei einer großflächig angelegten Studie in Österreich wurden über 1000 Gehäuse- und Nacktschnecken auf Parasitenbefall untersucht, darunter auch über 880 Spanische Wegschnecken (Arion vulgaris). Dabei war nur eine von 1320 untersuchten Schnecken mit Crenosoma striatum Larven befallen (Fuehrer 2020).

Igel in Igeliglu
Um das Risiko der Übertragung von Krankheiten zu minimieren, sollten Igelhäuser mindestens einmal pro Jahr gründlich gereinigt werden.

 

Nun zu den weiteren Fragen/Annahmen:

  1. Sterben Igel an Lungenwurmbefall?
  2. Fressen Igel Schnecken nur im Notfall?
  3. Ist es sinnvoll, Igel im Garten zu unterstützen und anzusiedeln?

Faktencheck 

Sterben Igel an Lungenwürmern?

In Europa sind über die Hälfte aller Igel mit Lungenwürmern (Crenosoma striatum) befallen, in vielen Untersuchungen sogar über 70 % (Pfäffle 2010, Rautio 2015). Doch für gesunde Igel ist der Befall kein lebensbedrohliches Problem, und es zeigen sich keine oder nur milde Symptome wie leichter Husten. 

„Es ist wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, dass Krankheitserreger wie parasitäre Lungenwürmer und bakterielle Krankheitserreger, z. B. Salmonellen, bei Igeln zwar zu Krankheit und Tod führen können, ihr Vorhandensein aber nicht immer eine Krankheit bedeutet. Wir finden diese Organismen häufig bei ansonsten gesunden Igeln, und eine Infektion kann Teil der natürlichen Beziehung zwischen einem Wirt (in diesem Fall dem Igel) und seinen Parasiten sein.“ (Zoological Society of London – Wildlife Health Team)

Ob die Würmer zum Problem werden, hängt davon ab, wie viele Würmer einen Igel befallen haben und ob zusätzlich eine bakterielle Infektion auftritt.

Miriam Pfäffle hat in ihrer Doktorarbeit über 130 Igel aus verschiedenen Regionen in Deutschland auf Parasiten untersucht. Dabei waren rund 90 Igel mit Lungenwürmern befallen (70 %). In den meisten Fällen wurden unter 25 Würmer festgestellt, doch in einem Fall konnte sie sogar 425 Würmer zählen.

Bei drei Igeln konnten über 250 Würmer festgestellt werden (vgl. e.d.: 132 ff.). Das zeigt, dass Igel selbst bei einem Befall mit über 250 Würmern nicht direkt sterben. 

Igel im Morgengrauen
Igel sind sehr robuste Tiere, wenn sie genügend hochwertige Nahrung finden.

 

Allein genommen sind die Lungenwürmer für Igel also in der Regel nicht tödlich. Problematisch wird es dann, wenn zum Wurmbefall eine bakterielle Infektion (z. B. Bronchitis) hinzukommt. Die Lungenentzündungen können dann in extremen Fällen bei geschwächten Igeln zu einem Versagen des Herz-Kreislaufsystems und somit zum Tod führen.

Bei einer Studie aus Finnland wurden die Todesursachen von Igeln in stadtnahen Gebieten untersucht. Dabei haben sich Autounfälle und Nahrungsknappheit als Haupttodesursachen herausgestellt und nicht der Befall mit Lungenwürmern, obwohl auch hier fast 80 % der Igel mit Lungenwürmern befallen waren.

Vor allem Jungtiere sind in Finnland verhungert und waren gleichzeitig mit Lungenwürmern befallen, fast alle mit beiden Lungenwurmarten gleichzeitig. Die Mageninhalte der verhungerten Jungigel enthielten zudem fast ausschließlich menschliche Nahrung, was darauf hindeutet, dass sie nicht in der Lage waren, natürliche Nahrungsquellen zu erschließen.

Igel Futterstelle
Der Einsatz von Fütterungen erscheint teils notwendig, birgt jedoch auch die Gefahr der Übertragung von Krankheiten. Igel erlernen oft nicht mehr, natürliche Nahrung zu finden.

 

Zudem waren sehr viele Igel in Finnland mit Salmonellen befallen (57 %), was auf mangelnde Hygiene an Futterplätzen zurückgeführt wird. Denn in über 90 % der Igelmägen wurden Fisch- und Milchprodukte nachgewiesen (Rautio 2015). 

Diese Studie aus Finnland hat gezeigt, dass eine Haupttodesursache für Igel in menschlichen Siedlungsräumen der Straßenverkehr ist, gefolgt von Verhungern. In Holland gehen Schätzungen sogar davon aus, dass pro Jahr über 110.000 Igel bei Autounfällen ums Leben kommen (Hujiser 2000). Hochgerechnet auf Deutschland wären das rund eine Million Igel, die jedes Jahr überfahren werden.

Weitere menschenbedingte Todesursachen sind: 

  • Ertrinken (z. B. in Teichen ohne Ausstiegsmöglichkeit)
  • Verletzung durch Haustiere (vor allem Hunde, auch Katzen)
  • Vergiftungen (etwa durch Schneckengift). 

Neben dem Verhungern waren zudem abgestorbene, entzündete Gliedmaßen eine bedeutende Todesursache bei männlichen Igeln. Wahrscheinlich sind diese durch Bissverletzungen bei Revierkämpfen entstanden (Rautio 2015).

Igel Futterstation
Igelfutterstationen regelmäßig umstellen und mit heißem Wasser gründlich reinigen.

 

Fressen Igel Schnecken nur im Notfall?

In Zuschriften, die mich erreichen, wird immer wieder behauptet, Igel würden Schnecken nur aus absoluter Not heraus fressen. Allerdings fehlen hierzu bisher die Belege. 

Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass rund 20–30 % der untersuchten Igelmägen Schnecken enthielten (Yalden 1976, Rautio 2015). Somit gehören Schnecken zum Nahrungsspektrum von Igeln. Der Anteil hat sich innerhalb von 40 Jahren auch nicht sonderlich verändert. 

Insbesondere nach dem Aufwachen aus dem Winterschlaf, wenn nur wenige Insekten als Nahrung zur Verfügung stehen, können Schnecken eine wichtige Proteinquelle für Igel sein.

Da diese Schnecken dann oft noch klein sind, helfen Igel im Frühling mit, Schneckenplagen im Keim zu ersticken. Allerdings stimmt es, dass Igel meist andere Nahrungsquellen vorziehen.

Auf ihrem Speiseplan stehen hauptsächlich: 

  • Käfer
  • Regenwürmer 
  • Raupen
  • Wanzen
  • Zikaden
  • Spinnen
  • Ameisen
  • Fliegen
  • Grashüpfer

Igel frisst Nacktschnecke


In Siedlungsgebieten kommen jedoch immer häufiger auch menschliche Nahrungsquellen hinzu, etwa Katzenfutter. Der Nährwert dieses Futters darf jedoch infrage gestellt werden.

Zudem konnte gezeigt werden, dass vor allem Jungigel auch Aas fressen, zum Beispiel verendete Vögel oder Mäuse. Denn in ihren Mägen wurden oft Haare und Federn gefunden, bei alten Igeln hingegen kaum.

Dies deutet darauf hin, dass unerfahrene Jungigel in der Not Aas fressen müssen, alte Igel dies jedoch nicht nötig haben. Schnecken wurden hingegen bei jungen und alten Igeln gleichermaßen im Mageninhalt nachgewiesen (Rautio 2015).

Dennoch wird empfohlen, Igel nicht mit Schnecken zu füttern, da sie mit Larven von Lungenwürmern befallen sein könnten. Dies ist auch grundsätzlich richtig, wenngleich die Gefahr wahrscheinlich überschätzt wird.


Igel frisst Nacktschnecke


Ansiedeln und Unterstützen von Igeln sinnvoll?

Den wütenden Zuschriften zufolge wäre es für Igel schädlich, sie in einen Garten zu locken und anzusiedeln, wenn sich dort viele Schnecken aufhalten.

Denn dort würden sie sich dann mit Lungenwürmern infizieren und schließlich daran sterben. Dies ist allerdings nicht der Fall.

Denn in einem Garten, in dem es keine Igel gibt, können sich Schnecken auch nicht mit Lungenwurmlarven infizieren.

Erst wenn infizierte Igel im Garten präsent sind, können auch die Schnecken mit Wurmlarven in Kontakt kommen. Denn anders als Igel haben Schnecken nur ein kleines Revier. 


Igel beim Revierkampf


Fazit

Wenn bisher keine Igel im Garten leben, doch viele Schnecken, besteht keine Gefahr, dass diese Schnecken mit Lungenwürmern befallen sind.

Außerdem zeigen neue Untersuchungen, dass deutlich weniger Schnecken mit Wurmlarven befallen sind als bisher angenommen.

Studien deuten zudem darauf hin, dass die direkte Übertragung von Igeln zu Igeln eine größere Rolle spielt als allgemein bekannt. Daher ist auch die Hygiene in Igelstationen, Igelhäusern und an Futterplätzen besonders wichtig.

Für gesunde Igel ist ein Befall mit einzelnen Parasiten kein großes Problem. Doch zunehmend leiden Igel an Mangelernährung, was sie anfällig macht.

Verursacht wird dies durch das dramatische Insektensterben, das durch breiten Pestizideinsatz und zunehmende Lichtverschmutzung verursacht wird.

Da der Bestand der Igel in Europa derzeit abnimmt, ist es wichtig, sie im eigenen Garten nach bestem Wissen zu unterstützen.

Dies sollte jedoch bestenfalls nicht durch direkte, sondern durch indirekte Fütterung geschehen. Also durch das Anlegen eines insektenfreundlichen Gartens, in dem möglichst eine Vielzahl von verschiedenen Lebensräumen im Angebot steht. 

Welche Strukturen dazugehören und hilfreich sind, erfährst Du hier: Wie bekomme ich möglichst viele Insekten in meinen Garten?

Außerdem ist es wichtig, Igeln wenig zu schaden, und ihnen Wasserstellen sowie Unterschlüpfe für den Winterschlaf anzubieten.

Mehr Infos dazu hier: Lege Deinen Garten igelfreundlich an!

Zudem noch wichtige Hinweise, wie sich Lichtverschmutzung im Garten reduzieren lässt.

Viel Erfolg beim Natur- und Igelschutz im Garten wünscht Dir,

Alex


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Alexander Böckmann